Wie Sie Kritik kulturgerecht verpacken
Else Gellinek
- September 16, 2019
- 4 min read
- Interkulturell gedacht
Kulturelle Unterschiede ganz konkret: Wer will wie welche Informationen?
Kommunikation ist eigentlich ein universelles menschliches Bedürfnis, also könnte man meinen, dass wir alle gleich kommunizieren – ungeachtet unseres Kulturkreises.
Neulich las ich einen Blog, der die Frage aufwarf, warum englische und französische Rezepte so unterschiedlich sind. Anscheinend nehmen englische Rezepte ihre Leser für jeden Schritt an die Hand und erklären jede noch so kleine Kochhandlung. Französische Rezepte hingegen geben kurze Anweisungen wie “Gemüse blanchieren” und setzen voraus, dass alle wissen, was Blanchieren ist. Sollen also französische Rezepte ins Englische übersetzt werden, müssten eigentlich zusätzliche Informationen hinzugefügt werden. Sonst verzweifeln englische Leser noch an den zu knappen Instruktionen, die so ganz und gar nicht ihren Erwartungen entsprechen, und legen die Rezepte frustriert beiseite.
Kommunikative Erwartungen sind also nicht universell. Für viele Bereiche existieren kulturell unterschiedliche Erwartungen, wie Inhalte präsentiert werden sollen. Die Unterschiede können kleiner sein und sich auf sprachliche Formen beziehen. In deutschen Anleitungen wird beispielsweise oft im Infinitiv gesprochen: „Datei speichern“. In englischen hingegen wird oft der Imperativ genutzt: „Save the file.“
Es gibt aber auch größere Unterschiede. Wie werden Informationen, die jenseits von Handlungsanweisungen liegen, angeordnet und versprachlicht? Nehmen wir das sensible Thema der Kritik. Wie gehen Deutsche damit um? Und wie handhaben das andere Kulturkreise? Haben alle die gleiche Strategie? Natürlich nicht, sonst würde ich nicht darüber schreiben!
Wie läuft es in der Geschäftswelt?
Andere überzeugen
Erin Meyer beschäftigt sich intensiv mit den unterschiedlichen Kommunikationsstilen auf der Welt. In ihrem Buch „The Culture Map: Breaking Through the Invisible Boundaries of Global Business“ erklärt sie, welche Faktoren das Arbeiten in internationalen Teams so herausfordernd machen. Ein Kernfaktor ist die unterschiedliche Kommunikationsweise. Das klingt erstmal wenig spannend. Bedenken Sie aber, dass Sie in internationalen Teams nicht unbedingt mit allen kommunizieren können, wie Sie es von Ihrem deutschen Arbeitsumfeld gewohnt sind. Die deutsche Art, Argumente vorzutragen wirkt auf Engländer oder Amerikaner wenig überzeugend. Während Sie mit Zahlen und Fakten überzeugen wollen, möchten Amerikaner lieber zuerst wissen, was Sie ihnen eigentlich verkaufen wollen. Wollen Sie die angelsächsischen Kollegen von etwas Neuem begeistern, müssen Sie Ihre Herangehensweise im Prinzip auf den Kopf stellen. (Sehen Sie hierzu meinen Blog zu den kulturell unterschiedlichen Argumentationsansätzen.) Das ist für Sie alles andere als intuitiv. Fällt Ihnen das Umdenken schwer, müssen Sie akzeptieren, dass Ihre Ideen wegen Ihrer typisch deutschen Argumentationsweise bei US-Mitarbeitern nur schwierig Anklang finden werden.
Kritik verpacken
Begeisterung ist eine Sache, doch wie steht es mit Kritik? Deutsche sind bekannt dafür, geradlinig und ehrlich zu kommunizieren. Passt etwas nicht, wird es direkt angesprochen und dabei nicht um den heißen Brei herumgeredet. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, die Kritikpunkte nachdrücklich klarzustellen. Das ist für andere Kulturkreise gewöhnungsbedürftig und wird oft als unnötig konfrontativ empfunden. Schließlich hat nicht jeder lauter Bücher zur interkulturellen Kommunikation verschlungen.
Wiederum haben Deutsche oft Probleme, Kritik aus dem Mund von Amerikanern richtig zu verstehen, da die Amerikaner – trotz aller Geradlinigkeit – ihre Kritik mit Lob und Modalpartikeln abschwächen. In einer Welt, wo alles „awesome“ und „amazing“ ist, müssen Deutsche verstehen, dass „OK“ eben nicht gut, sondern schlecht ist.
Was in der mündlichen Kommunikation gilt, trifft natürlich gleichermaßen auf die schriftliche Kommunikation mit anderen Kulturkreisen zu. Ob Sie sich nun intern mit Kollegen in internationalen Niederlassungen austauschen oder in Veröffentlichungen auf verbesserungswürdige Zustände aufmerksam machen wollen, beachten Sie folgende Empfehlungen:
Kulturgerecht kritisieren
- Sandwich-Methode: Verpacken Sie Ihre Kritikpunkte in zwei Scheiben Lob. Das lässt sich deutlich besser schlucken.
- Achten Sie darauf, dass es eine Balance zwischen positiven und negativen Anmerkungen gibt.
- Schwächen Sie ab. Und schwächen Sie dann noch mehr ab. Denken Sie an Wörter wie „vielleicht, eventuell“.
- Seien Sie ermutigend in Ihrer Kritik.
Kulturgerecht kritisiert werden
- Suchen Sie zwischen den positiven Äußerungen nach den Kritikpunkten.
- Nehmen Sie alle abschwächenden Formulierungen und löschen Sie sie mental. So dringen Sie zum Kern der Aussagen durch.
Vertrauen Sie im Zweifelsfall lieber auf die Hilfe von Angehörigen des jeweiligen Kulturkreises und lassen Sie Ihre schriftliche Kommunikation dahingehend überprüfen.
Lesetipps
- Culture Mastery Blog: Lesen Sie diesen Artikel zur Gefahr der vermeintlichen Ähnlichkeit von Deutschen und Amerikanern.
- Unbedingte Leseempfehlung: Deutsche Übersetzung Erin Meyer, Die Culture Map: Ihr Kompass für das internationale Business