Warum Übersetzer Fortbildungen besuchen
Else Gellinek
- März 11, 2017
- 4 min read
- Mit Übersetzer*innen arbeiten
Welche Fortbildung brauchen Übersetzer denn?
Letzte Woche war ich einige Tage in Berlin, um eine Fachtagung der Übersetzungsbranche zu besuchen. Meinen Kunden habe ich natürlich mitgeteilt, dass ich einige Tage außer Haus bin und für die Zeit keine Aufträge annehmen kann. Soweit, so gut! Nach meiner Rückkehr fragte mich ein langjähriger Kunde, wie mein Urlaub war, und war etwas verwundert, als ich sagte, dass ich auf einer Konferenz war und nicht am Strand gelegen hatte. „Wozu brauchen Übersetzer Fortbildungen?“ fragte er mich.
Diese Frage hat mich wiederum erstaunt, da ich Übersetzer und Dolmetscher als sehr fortbildungsfreundliches Völkchen kenne. Hier folgt also eine kurze Einführung in die bunte, abwechslungsreiche Welt der Fort- und Weiterbildung für Übersetzer.
Bereiche, in denen Übersetzer weiterlernen
Sprach- und Schreibfähigkeiten
Wer vom Deutschen ins Englische übersetzt, muss nicht nur beide Sprachen perfekt beherrschen, sondern auch im Schreiben begabt sein. Solche Fähigkeiten wollen ständig geübt und geschärft werden. Übersetzer müssen ihre Kenntnisse in beiden Sprachen am Leben erhalten und mit dem Sprachwandel mithalten. Je nachdem wo sie leben, müssen sie mindestens eine Sprache aus der Ferne pflegen – fernab von Ländern, wo sie von Muttersprachlern gesprochen wird. Ohne aktives Bemühen ist das nicht möglich.
Zusätzlich müssen Text- und Schreibfähigkeiten geschult werden. Wie übersetzt man bestimmte Textsorten? Welche wesentlichen Unterschiede gibt es beispielweise zwischen Bedienungsanleitungen in 2 verschiedenen Sprachen? Übersetzer müssen ihre speziellen Textsorten in beiden Sprachen kennen und Unterschiede berücksichtigen, die weit über wörtliche Übersetzungen des vorliegenden Textes hinausgehen. Auch diese Fähigkeiten fallen dem Übersetzer nicht in den Schoß.
Software- und Technologiekenntnisse
Übersetzer, die nur mit einer Schreibmaschine arbeiten, dürften eine aussterbende Gruppe sein. Das gleiche Schicksal droht Übersetzern, deren technische Fähigkeiten nicht über das Öffnen eines Word-Dokuments hinausreichen. Je größer die Welt und je mehr Wissen verbreitet wird, desto mehr spielt Technologie eine entscheidende Rolle dabei, dieses Wissen verständlich zu sortieren und zu dokumentieren.
Dateiformate werden immer komplexer und wir Übersetzer können inzwischen XML-Dateien, hochkomplexe PDFs oder spezielle Formate aus Übersetzungstools bearbeiten – allerdings auch nur mit speziellen Schulungen und Einarbeitungen.
Wissensmanagement wird zu einem immer wertvolleren Tool. Verschiedenste Software hilft Übersetzern dabei, Fachglossare anzulegen, Terminologie aus Referenzmaterial zu extrahieren und zu sortieren sowie mit anderen Übersetzern zusammenzuarbeiten und größere Projekte zu koordinieren. Übersetzer machen genauso wie andere Dienstleister Gebrauch von Schulungsangeboten, um möglichst großen Nutzen aus solchen Programmen zu ziehen.
Spezialisierungen und Fachgebiete
Manche Übersetzer arbeiten thematisch hochspezialisiert auf Fachgebieten, die profunde Kenntnisse bestimmter Branchen oder Wissenschaftszweige verlangen. Oft haben sie entsprechende Berufserfahrung in diesen Bereichen gesammelt und können mit ihren Auftraggebern auf Augenhöhe sprechen. Um über Veränderungen und Entwicklungen in den gewählten Fachgebieten auf dem Laufenden zu bleiben und ihr Wissen in Teilbereichen zu vertiefen, bilden sich Übersetzer ständig weiter: in Veranstaltungen für spezialisierte Übersetzer und gemeinsam mit ihren Kunden auf Veranstaltungen in den jeweiligen Branchen.
Lernen von anderen Übersetzern
Häufig bilden Übersetzer Arbeits- oder Fachgruppen, in denen sie sich gegenseitig unterstützen und Übersetzungen gegenlesen und besprechen. Viele Berufsverbände helfen dabei, geeignete Kollegen für solche Kompetenzgruppen zu finden. Diese Gruppen sind eine tolle Gelegenheit, praxisbezogen über kniffelige Texte und Konzepte zu diskutieren und von anderen Kollegen aus ihrem Berufsalltag zu lernen.
Vielfältige Weiterbildungsformate
Jedem Übersetzer ist es natürlich überlassen, die passenden Fortbildungen für die jeweiligen Spezialisierungen in Anspruch zu nehmen. Medizinübersetzer arbeiten anders als Marketingübersetzer und darum kann ich keine pauschalen Aussagen machen, die für alle Übersetzer zutreffen. Weiterhin gibt es viele Weiterbildungsformate, die je nach Fachgebiet und Standort mal mehr oder weniger geeignet sein können:
- Tagungen, Messen, Konferenzen
- Workshops, Präsenzseminare, Studiengänge
- Webinare, MOOCs
- Fachbücher und -zeitschriften
- Podcasts, Sprachtandems
- und noch vieles mehr
Die eigentliche Frage meines Kunden hätte lauten müssen, wie Übersetzer es bei dieser Vielzahl an Weiterbildungen überhaupt noch schaffen, Zeit für Aufträge haben!