Kulturelle Unterschiede ganz konkret: Wie wir argumentieren
Else Gellinek
- September 22, 2015
- 3 min read
- Interkulturell gedacht
Unser kultureller Hintergrund bestimmt wesentlich, wie wir über Sachverhalte nachdenken und Informationen präsentiert bekommen wollen. Wir lernen es bereits als Kinder und alle um uns herum teilen diese Herangehensweise. Da kann man schnell aus den Augen verlieren, dass andere Kulturen nicht identisch vorgehen müssen.
Die deduktiven Deutschen
Deutsche legen großen Wert darauf, Argumente sachlich und nachvollziehbar aufzubauen, und erst zum Schluss ihre Erkenntnisse und Konsequenzen darzulegen. Erst kommen die Hintergründe, allgemeine Theorien, Prinzipien und dann wird der Bogen zur praktischen Anwendung geschlagen. Das ist eine sinnvolle Vorgehensweise: Die Leser(innen) oder Zuhörer(innen) erhalten Einblicke in fundierte Vorgehensweisen und können den Gedankengängen bis zum Schluss folgen. Hier steht also die Frage nach dem „Warum“ im Vordergrund.
Die induktiven Angelsachsen
Briten, Amerikaner, Kanadier und Australier mögen es etwas handfester. Sie steigen tendenziell mit einer konkreten Erkenntnis ein und untermauern diese nach Bedarf (und gerne erst zu einem späteren Zeitpunkt) mit Hintergrundwissen oder detaillierteren Beschreibungen. Das ist eine sinnvolle Vorgehensweise: Es gibt klare Handlungsempfehlungen, die sofort auf den Tisch kommen. Effizient und zeitsparend zugleich. Hier steht also die Frage nach dem „Wie“ im Vordergrund.
Wenn beide aufeinander treffen
Diese unterschiedlichen Denkweisen wirken sich spürbar in der Geschäftswelt aus. Für ein deutsches Publikum besonders überzeugende Ausführungen können Amerikanern oder Briten als unnötig theorielastig erscheinen, da sie sich lieber auf die Ergebnisse konzentrieren möchten. Die für sie interessanten Details kommen erst zum Schluss.
Aber vielleicht sind Ihnen bis dahin Ihre Leser(innen) oder Zuhörer(innen) schon abhandengekommen. Genauso kann die angelsächsische Vorgehensweise auf Sie abrupt oder fadenscheinig wirken, weil Sie sich ohne Hintergrundinformationen abrupt mit Schlussfolgerungen oder Entscheidungen überrumpelt sehen.
Wollen Sie Ihr Gegenüber überzeugen, dann müssen Sie auf seine Weise kommunizieren. Nehmen wir als Beispiel einen Fall aus der internen Unternehmenskommunikation: Sie haben Ihren Mitarbeitern wichtige Neuerungen mitzuteilen. Für die deutschen Angestellten verfahren Sie auf gewohnte Weise und betten die geplante Veränderung in eine Analyse der Situation ein, um sie so nachvollziehbar zu machen. Für Mitarbeiter von Niederlassungen im englischsprechenden Ausland würde es sich anbieten, aus Ihrer Sicht das Pferd von hinten aufzuzäumen. Das heißt, Sie beginnen mit einer Zusammenfassung der geplanten Änderung und der Konsequenz für die Mitarbeiter. So erwecken Sie ihre Aufmerksamkeit und stellen sicher, dass auch diese Mitarbeiter informiert sind.
PS: Wer mehr zu dem Thema lesen möchte: Erin Meyer ist Dozentin für interkulturelles Management an der internationalen Wirtschaftshochschule INSEAD und hat jahrelange Erfahrung mit Führungskräften aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Sie hat das hochinteressante Buch „The Culture Map: Breaking Through the Invisible Boundaries of Global Business“ geschrieben, das mit konkreten Beispielen den Lesern aufzeigt, wie sich unterschiedliche Kommunikationsstile im Geschäftsleben auswirken.
PPS: Vielleicht haben Sie es gemerkt, dieser Artikel ist ganz klassisch nach dem deutschen deduktiven Stil aufgebaut.