Das richtige Englisch für Ihre Zielgruppe
Else Gellinek
- April 16, 2021
- 5 min read
- Mit Übersetzer*innen arbeiten
„Englisch ist doch irgendwie immer Englisch, oder?“ – ein Satz, den ich häufig höre. Und, ja, es stimmt. Dafür dass Englisch von so vielen Menschen an so vielen Orten gesprochen wird, ist es erstaunlich wie gut sich alle untereinander verständigen können. „Irgendwie“ versteht man sich schon.
Für Ihre Marketingtexte können Sie die Stange ruhig etwas höher hängen. Sie wollen nicht „irgendwie“, sondern gezielt mit Ihrer Zielgruppe sprechen. Das zeigt, dass Sie sie verstehen.
Wenn Sie Texte auf Englisch benötigen, lohnt es sich also zu überlegen, wer diese Texte lesen soll. Englisch wird nicht nur von Menschen mit muttersprachlichen Kenntnissen gesprochen. Viele Menschen auf der Welt sprechen Englisch als Zweit- oder als Fremdsprache. Für sie ist Englisch eine Verkehrssprache, die sie neben der Muttersprache/den Muttersprachen nutzen.
Für wen ist also Ihr Text gedacht?
Fremdsprachliche Texte bedeuten immer mehr Aufwand und Kosten als Texte in nur einer Sprache anzubieten. Ressourcenschonend und effektiv ist es, wenn Sie sicherstellen, dass Ihr fremdsprachlichen Texte maximal auf die Bedürfnisse Ihrer Leserschaft ausgerichtet sind.
Die verschiedenen Märkte, die mit Englisch erreicht werden können
Nehmen wir uns einen Moment Zeit, um Ihre Zielgruppen näher einzukreisen.
Ihr Markt: Spezifische Länder, in denen Englisch eine Landessprache ist
Hier gehen wir von Zielgruppen aus, die Englisch als Erst-/Muttersprache beherrschen. Die volle Bandbreite der sprachlichen Möglichkeiten kann genutzt werden. Da wir eine geographische/kulturelle Eingrenzung der Zielgruppe haben, können wir auch historische, kulturelle oder politische Anspielungen benutzen.
Wollen wir den Markt in einem spezifischen Land erobern, müssen wir das Englisch nutzen, das dort üblich ist.
Es gibt über 30 verschiedene Englischvarianten. Die bekanntesten sind:
- US-Amerikanisches Englisch
- Britisches Englisch (wobei es hier diverse Unterteilungen gibt)
- Australisches Englisch
- Kanadisches Englisch
- Südafrikanisches Englisch
- Indisches Englisch
Können Sie Ihre Zielgruppe geographisch definieren, rate ich dazu, direkt mit der richtigen Englischvariante zu arbeiten.
Auf jeden Fall stehen Übersetzern für diese Zielgruppe die volle Bandbreite an sprachlichen Mitteln zur Verfügung. Sie müssen aber penibel darauf achten, dass ihre Texte den landesüblichen Konventionen entsprechen. Menschen in den USA fällt zum Beispiel sofort auf, wenn ein Text in der englischen Fassung die formellere deutsche Tonalität beibehalten hat.
Ihr Markt: Sammelbecken von Ländern, in denen Englisch gesprochen wird
Was ist aber nun, wenn Sie Englisch als Verkehrssprache nutzen wollen, also als Fremdsprache, bei der Sie voraussetzen können, dass möglichst viele Menschen sie sprechen? Gerade im europäischen Raum entscheiden sich Unternehmen oft für Englisch als erste Zusatzsprache, wenn sie die ersten Schritte außerhalb des deutschsprachigen Raums wagen.
Hier gibt es keinen Markt, der sich durch Länder- oder Sprachgrenzen definiert. Was nun?
In diesem Fall bietet sich internationales Englisch an. Eine anerkannte Englischvariante ist das nicht, stattdessen soll es ein English ohne Marker der regionalen Varianten sein. Ein neutrales Englisch also.
Internationales Englisch zeichnet sich durch Folgendes aus:
- Verzicht auf kulturelle oder historische Anspielungen, da bei der Leserschaft keine gemeinsame Erfahrungswelt angenommen werden kann
- Verzicht auf regional gefärbtes Sprachmaterial: Internationales Englisch soll neutral wirken, also finden ausdrücklich amerikanisch- oder britisch-wirkende Wendungen und Formulierungen keinen Einsatz
- Fehlende Standardisierung: Was internationales Englisch sein soll, liegt im Auge des Betrachters. Es gibt kein Regelwerk.
Ihre Suche nach Muttersprachlern des internationalen Englisch wird leider ergebnislos bleiben. Es ist lediglich ein mentales Konstrukt. In der Praxis sieht die Lösung häufig so aus, dass Sprecher von zwei Englischvarianten an Übersetzungen beteiligt sind. Wurde die Übersetzung von einer Amerikanerin erstellt, übernimmt ein Brite dann die Korrektur. Dabei erkennt er sofort, welche Formulierungen „zu amerikanisch“ für das gewünschte internationale Englisch sind.
Entscheidender als die sprachliche Ausgestaltung ist, dass die Zielgruppe solcher Texte so wenig Gemeinsamkeiten haben. Dadurch wird es schwer, sie gezielt zu erreichen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
Ihr Markt: Menschen ohne Deutschkenntnisse, die Englisch als Zweit-/Fremdsprache sprechen
Eine solche Zielgruppe gibt es oft, wenn Unternehmen ihre internationale Belegschaft ansprechen wollen. Ganz sauber lässt sich diese Gruppe nicht von der oberen trennen. Hier kommt aber die Schwierigkeit verschiedener Sprachniveaus hinzu. Nicht alle auf der Welt sprechen gleich gut Englisch. Manchen würde man nicht anmerken, dass sie eine andere Erstsprache sprechen, aber andere können sich auf Englisch knapp einen Kaffee bestellen.
Hier geht Klarheit über alles. Der Maßstab des Erfolgs ist, ob die Menschen mit den geringsten Englischkenntnissen alles verstehen, was Sie mitteilen möchten. Gleichzeitig besteht die Herausforderung darin, dass die Texte auch für Menschen, die mehr Englisch sprechen, interessant sind.
Was das Englisch für diese Zielgruppe auszeichnet:
- Klare, einfache Sätze
- Könnte stattdessen eine Auflistung verwendet werden?
- Lässt sich das Gesagte in einem Schaubild darstellen?
- Verzicht auf Wortspiele, subtile Anspielungen und Metaphern
- Klare Wortverwendung: Ein Wort bezeichnet eine Sache, Verzicht auf Synonyme
- Verwendung von Pronomen, nur wenn der Bezug glasklar ist
Die strikte Zielgruppenorientierung ist absolute Pflicht. Kein Wort darf auf das Blatt, ohne dass man akribisch untersucht, ob es einfacher oder klarer geht.
Was heißt das jetzt für Sie?
Texte ohne klare Vorstellungen der Leserschaft zu schreiben bedeutet, dass Sie zwar alle erreichen wollen, aber niemanden wirklich ansprechen. Investieren Sie die Zeit, ein klares Bild der Zielgruppe zu skizzieren, erhalten Sie eine passgenaue englische Übersetzung.
Wenn Sie Ihre deutschen Texte erstellen, durchlaufen Sie die gleichen Entscheidungsprozesse. Hier wird es nur schwieriger, weil Sie diese Überlegungen für die englische Sprache anstellen müssen.