Welche Software benutzen Übersetzer?
Else Gellinek
- Mai 12, 2017
- 6 min read
- Mit Übersetzer*innen arbeiten
Arbeiten Übersetzer vielleicht noch an Schreibmaschinen?
Neulich bei einem Plausch mit einem Kunden wurde ich wieder auf stereotype Vorstellungen über Übersetzer gestoßen. Das Bild das dick bebrillten Übersetzers im dunklen Kämmerlein, umgeben von wankenden Bücherstapeln, hält sich hartnäckig. Als ich erwähnte, dass ich mich noch in eine bestimmte Software einarbeiten wollte, kam die verwunderte Nachfrage, was Übersetzer denn für Software brauchen würden – außer Word natürlich.
Wer jemals in Übersetzerforen oder Mailinglisten die angeregten Diskussionen zur richtigen Computerkonfiguration oder zu selbst programmierten Lösungen für Probleme des Alltags mitverfolgt hat, wird verstehen, warum mich diese Frage schmunzeln lässt. Mich würde ich lediglich als semi-technikaffine Übersetzerin bezeichnen und sogar ich kann auf Anhieb eine ordentliche Liste von Programmen und Apps nennen, die unverzichtbar für meine tägliche Arbeit sind. Die folgenden Programme, Apps und Makros fallen mir spontan ein.
Zuerst die Einschränkung
Übersetzer arbeiten teilweise sehr unterschiedlich. Das mag an ihren Fachgebieten und favorisierten Textsorten liegen, aber auch an ihren persönlichen Arbeitsvorlieben und Gewohnheiten. Diese Liste kann also nur als Beispiel für die Arbeit einer bestimmten Übersetzerin dienen: meiner Wenigkeit. Andere Übersetzer mögen deutlich mehr auf Technologie und Software setzen und andere vermeiden dies vielleicht bewusst. Im Gros bedienen sich meiner Erfahrung nach Übersetzer gerne am reichen Tisch der technologischen Angebote.
Meine wichtigsten digitalen Helfer
CAT-Tools
CAT steht für Computer Assisted Translation. CAT-Tools dienen als eine Art erweitertes Gedächtnis von Übersetzern. Sie speichern alle Übersetzungen, die innerhalb des Tools erstellt werden ab, so dass wir immer wieder auf bereits ausgearbeitete Formulierungen zurückgreifen können. Unsere gesammelten Übersetzungen stehen uns dabei als stetig wachsende Datenbank zur Verfügung, die mit guter Pflege und Nachbereitung als Nachschlagewerk zu unserer eigenen Arbeit dient. CAT-Tools können eine große Bandbreite an Dateiformaten bearbeiten und bieten Übersetzern dabei immer die gleiche, gewohnte Textansicht, egal ob eine PDF, eine Exceldatei oder ein HTML-Text übersetzt wird. Hinzu kommt, dass Glossare, Terminologielisten, externe Recherchetools und Qualitätssicherungsmaßnahmen eingebunden werden können, so dass ein Großteil der Arbeit in eben dieser Übersetzungsumgebung stattfinden kann. Sie helfen uns also dabei, für unsere Kunden über längere Texte oder über mehrere Projekte hinweg ohne Umwege einheitliche Lösungen zu finden.
CAT-Tools sind aufgrund ihres Funktionsumfangs mitunter ziemlich komplex und benötigen einiges an Einarbeitungszeit, bis sie sinnvoll eingesetzt werden können. Ich benutze Studio 2017 und bin noch lange nicht in die Untiefen der Möglichkeiten hinabgestiegen.
Terminologieverwaltung
Je nach Fachbereich arbeiten Übersetzer mit sehr fach- und kundenspezifischer Terminologie. Da liegt es nahe, bereits erarbeitete Terminologie in Terminologiedatenbanken abzulegen und bei der Übersetzung immer zur Verfügung stehen zu haben. Praktischerweise kann in diesen Listen auch vermerkt werden, wenn eine bestimmte Terminologie auf keinen Fall benutzt werden soll. Ich benutzte Multiterm, das in meinem CAT-Tool integriert ist, aber es gibt diverse andere Anbieter. Das ist allemal schneller als in Karteikästen oder Vokabelheften zu blättern!
Manchmal stellen Kunden zweisprachiges Material zur Verfügung oder Übersetzer möchten selber in zweisprachigen Webauftritten effizient die Fachbegriffe in den beiden Sprachen recherchieren. Zweisprachige Geschäftsberichte sind eine reiche Quelle an Terminologie, aber niemand will sich durch hundertseitige PDFs quälen. Dafür gibt es Programme, die die zweisprachigen Texte passend gegenüberstellen und satzweise verpaaren. So entstehen Wörterbücher mit ganzen Sätzen, die wir wiederum in unsere CAT-Tools importieren können. Wer dann ein deutsches Wort sucht, findet so auf direktem Weg auch das Pendant in der Fremdsprache – mitsamt Kontext. Ich lasse mir von LF Aligner helfen, aber auch hier ist das Angebot groß.
Wissensmanagement
Übersetzer recherchieren unglaublich viel online. Dabei stoße ich nicht nur auf Listen mit Wörtern, sondern auch auf Websites mit Informationen, die ich vielleicht später mal benötigen könnte, oder auf Beschreibungen, Illustrationen, andere Übersetzungen, inspirierenden Übersetzungslösungen, unglaublich gute Powerpoint-Präsentationen oder PDFs, und und und. Wohin mit all diesen Informationen?
Um den Überblick zu behalten ist gutes Wissensmanagement von Nöten. Ich benutze die Cloudlösung Evernote, die als Datenbank aller Fundstellen im Web dient und diese über eine Nutzeransicht suchbar macht. Zusätzlich kann ich gedruckte Dokumente einscannen und digital verfügbar halten. Websites lassen sich mit oder ohne Bilder in Evernote speichern und bereichern meinen Datenbestand. So kann ich unter Schlagwörtern nach Material suchen, das ich zu bestimmten Kunden, Industriezweigen, Themen, oder was auch immer gesammelt habe. Zusätzlich kann ich in der Cloud Checklisten, Ablaufbeschreibungen, Textbausteine und wichtige Emails sammeln und immer abrufbereit haben.
Word-Tools zur Qualitätssicherung
Trotz aller Sorgfalt und Vorsicht übersieht das menschliche Auge schnell kleine Fehler und Unregelmäßigkeiten. Ich arbeite zum größten Teil mit Worddateien und für Word gibt es glücklicherweise einige Tools, die helfen, diese Fehler auszumerzen und das eigene Gehirn auszutricksen.
Mit PerfectIt kann man auf Inkonsistenzen im Text hingewiesen werden, z.B. wenn unterschiedliche Schreibweisen eines Wortes vorkommen oder Überschriften nicht einheitlich formatiert sind. Vor allem bei längeren Texten ist das sehr hilfreich, um effizient Fehlerserien zu beseitigen.
TransTools wurden speziell für Übersetzer entworfen. Hiermit kann ich mit nur einem Befehl überflüssige Zeilenumbrüche entfernen, deutsche Anführungszeichen in englische verwandeln oder typische Tippfehler suchen lassen.
Der RepetitionDetector tut was auf dem Karton steht: Er sucht nach Wiederholungen im Text. Manchmal konzentriert man sich so sehr auf die perfekte Formulierung in einzelnen Sätzen, dass man die umliegenden Sätze aus dem Blick verliert. Mit dem RepetitionDetector wird schnell aufgezeigt, wenn man ein bestimmtes Verb überstrapaziert hat oder sich mal ein neues Adjektiv einfallen lassen könnte.
Büro-Software
Um das eigentliche Übersetzen herum fallen noch viele andere Arbeiten an. Dabei hilft mir AnyCount, schnell die Wörter in Texten zu zählen und so den Auftragsumfang zu ermitteln. Viele Übersetzungen diktiere ich anstatt sie zu tippen. Dafür benutze ich die Spracherkennungssoftware Dragon Nuance. Ich benutze außerdem Zeiterkennungsprogramme, um aufzuzeichnen, wie lange ich an Projekten sitze und stundenbasierte Abrechnungen sauber nachhalten zu können.
Folgende andere Programme sind außerdem unverzichtbar:
- Buchhaltungssoftware
- CRM
- Backup- und Synchronisierungssoftware
- Virenschutz
- PDF-Konverter
- Social-Media-Tools wie Buffer
- Bildbearbeitungs- und Design-Tools wie Canva
- Blogsoftware: WordPress
Übersetzer sind alles andere als technikfeindlich
Genau wie viele meiner Kollegen arbeite ich nicht bei Kerzenschein in dunklen Archiven. Ich sitze in einem gut ausgeleuchteten Büro und nutze zwei Bildschirme – einen für Recherche und einen für Übersetzung. Natürlich benutze ich Printquellen für meine Arbeit, aber ich mache stark von neuen Entwicklungen Gebrauch, um mein Wissen, meine Produktivität und mein Effizienz zu steigern. Alles andere wäre nicht in meinem Sinne.
Zugegeben, dabei trage ich trotzdem ganz stereotyp eine Lesebrille!