Transkreation: nützliches Marketingtool oder nur Modewort?
Else Gellinek
- Februar 17, 2018
- 6 min read
- Mit Übersetzer*innen arbeiten
Das Buzzword „Transkreation“
Es gibt Wörter, die so oft benutzt werden, dass sie irgendwann nerven. Dazu könnte „Transkreation“ gehören. Transkreation ist eigentlich nur eine moderne Wortschöpfung für das, was vorher als Kreativübersetzung oder Marketingübersetzung bezeichnet wurde (oder vielleicht sogar ungenannt unter dem Deckmantel einer allgemeinen Übersetzung ablief). Ist es also ein alter Hut oder etwas ganz Modernes?
Spoiler: Es ist ein bisschen von beidem.
Was ist Transkreation?
Transkreation setzt sich aus den Wörtern „Translation“ (Übersetzung) und „Kreation“ zusammen. Dieses Kunstwort beschreibt eine Übersetzung, die weit mehr als eine wörtliche Übersetzung in eine andere Sprache ist. Ein Text wird für eine Zielgruppe neu erfunden, indem er und das Kundenbriefing als Grundlage für etwas neu Kreiertes in der Fremdsprache dienen.
Was wird transkreiert und was übersetzt?
Jede Übersetzung beinhaltet, dass der ursprüngliche Text für die Strukturen der Zielsprache und den neuen Kulturkreis angepasst wird. Keine Übersetzung ist jemals zu 100% das Spiegelbild eines Textes in einer anderen Sprache. Insofern beherrschen alle Übersetzer die Grundzüge der Transkreation.
Je globaler die Welt wird und je mehr Kontakt wir mit anderen Kulturen haben, desto mehr merken wir, wie unterschiedlich kommuniziert wird und wie grundlegend verschieden unsere Alltags- und Erfahrungswelt ist. Dass die Transkreation nun bewusst als Dienstleistung angeboten wird, trägt der wachsenden Erkenntnis Rechnung, dass unsere Kommunikationsgewohnheiten (die sich in Texten niederschlagen) nicht für die gelungene Kommunikation mit anderen Kulturen ausreichen und wir versuchen müssen, aus unseren eigenen Denkstrukturen auszubrechen.
Welche Texte werden sinnvollerweise transkreiert?
Manche Textsorten verlangen nach einer besonderen Behandlung. Das sind alle Texte, die in irgendeiner Form Menschen zu etwas bewegen wollen. Diese Texte haben also mehr eine informative Funktion. Sie haben einen persuasiven Zweck, wollen also bei Menschen ein bestimmtes Gefühl erwecken, eine bestimmte Überzeugung unterfüttern oder zu einer bestimmten Handlung anregen. Gerade bei diesen Texten müssen die Leser im Mittelpunkt stehen. Schließlich wollen die Autoren etwas von ihnen.
Alle kundenseitige Kommunikation von Unternehmen, aber genauso die interne Kommunikation, die Mitarbeiter motivieren und zusammenbringen soll: Social-Media-Beiträge, Blogs, Mailings, Websitetexte, Landing Pages, Newsletter Werbe-/Marketingkampagnen, Vetriebstexte, Slogans, Claims, White Papers, E-Books, Zeitschriften und Magazine, Mitarbeiterportale, Verfahrensanleitungen, …
Alle PR-Texte, die ein Unternehmen oder ein Projekt in ein bestimmtes Licht rücken sollen: Pressemitteilungen, Pressemappen, … (sowie alle Schnittmengen zu Marketing- und Werbetexten)
Recruitmenttexte: Bewerbungsportale, Interviewfragen, …
Wie verläuft eine Transkreation?
Vorweg: Transkreation dauert länger als eine Wald-und-Wiesen-Übersetzung. Kreativität braucht Zeit und es ist mehr Abstimmung mit dem Kunden nötig, da Übersetzer als Texter arbeiten und intensiv in den Kopf der Kunden und ihrer Zielgruppe schlüpfen müssen.
Ein möglicher Ablauf
Kein Übersetzer/Transkreator arbeitet gleich, aber eine grobe Abfolge könnte wie folgt aussehen:
Kunde und Transkreator besprechen zum ersten Mal den Text. Briefing durch den Kunden zu Inhalt, Botschaft, Zielsetzung und Zielgruppe des Textes.
Übersetzer fertigt einen ersten Entwurf bzw. erste Entwürfe an (für Slogans/Claims gibt es oft 2–3 Vorschläge).
Feedbackrunde(n) mit dem Kunden: Welcher Vorschlag gefällt am besten, wo ist noch Feinarbeit nötig? Gibt es Firmenvertreter/Vertriebspartner/Marketingteams im Zielland, die ihr Feedback zur Transkreation abgeben möchten?
Rückübersetzungen
Für die Transkreation von Claims und Slogans werden häufig Rückübersetzungen angefertigt. Rückübersetzungen werden als eine Zusammenstellung der möglichen Alternativen, einer ungefähren Übersetzung in Ihre Muttersprache und zusätzlichen Erläuterungen geliefert. So können Sie eher die Vorzüge und Einschränkungen der Vorschläge nachvollziehen, vor allem, wenn Sie die Zielsprache nicht beherrschen. Und Sie erkennen, welche Variante besonders auf die Ihnen wichtigen Punkte eingeht.
Die unten stehende Graphik zeigt beispielhaft, wie die Transkreation des Slogans „Ihr zuverlässiger Begleiter“ aussehen könnte. Nehmen wir an, dass eine Transkreation im Englischen gewünscht ist. Wörtlich übersetzt könnte der Slogan „A reliable partner“ lauten. Das macht im Englischen allerdings sehr wenig her.
Dieser Kunde hat sich vernünftigerweise für eine Transkreation entschieden und erhält nun drei Vorschläge mitsamt Rückübersetzung der jeweiligen Vorschläge und Erklärungen. Wie Sie sehen können, greifen die einzelnen Vorschläge bestimmte Aspekte der deutschen Vorlage auf.
Warum in Transkreationen investieren?
Transkreation ist teurer als „gewöhnliche“ Übersetzung. Dafür bekommen Sie etwas, das eine zusätzliche Verarbeitungsstufe aufweist. Etwas, das noch passender für Ihre Zielgruppe gemacht wurde.
Ein Gegenbeispiel
„Lustige“ Geschichten von Übersetzungskatastrophen gibt es genug. Was weniger Beachtung verdient, sind die mittelmäßigen Übersetzungen, die wahrscheinlich noch häufiger anzutreffen sind. Wird nicht in Transkreation investiert, dann erleben Menschen im Zielland der Übersetzung ein Unternehmen anders, als es im Heimatland erlebt wird.
So wirbt die Naturkosmetikmarke Burt’s Bees in der amerikanischen Heimat mit dem Slogan „Be a true force of nature“ (wörtlich ungefähr „Seien Sie eine wahre Naturgewalt“). Auf der deutschen Website steht eine deutlich schwächere Version des Slogans, nämlich „Seien Sie die wahre Kraft der Natur“. Da hat jemand gleichzeitig zu sehr am englischen Original geklebt und trotzdem den Wortwitz und die Beibedeutung der Vorlage missachtet. Das geht besser!
Die Folgen von mittelmäßigen Übersetzungen
Mittelmäßige Übersetzungen oder Transkreationen mögen zwar den Inhalt des Originals aufgreifen, aber sie tun es auf eine Art und Weise, die für das Publikum der Übersetzung nicht natürlich klingt. So kann die Art der Ansprache kulturell unpassend sein, oder es werden Sprachbilder benutzt, die in dem Kulturkreis bedeutungslos sind, oder es werden typisch deutsche Konzepte ohne erklärenden Kontext in den Raum geworfen. Für solche Übersetzungen ernten Unternehmen Stirnrunzeln oder Schulterzucken anstatt der beabsichtigten Begeisterung. Und das will natürlich niemand!
Ein Beispiel für gelungene Transkreation
Da stelle ich lieber lobend ein Unternehmen vor, bei dem es besser abgelaufen ist.
Auf den englischen Internetseiten der britischen Teefirma Pukka findet sich die Rubrik „Wellbeing Collections“ (wörtlich ungefähr „Sammlungen zum Wohlbefinden“), die eine Zusammenstellung von Artikeln zu diversen Themen beherbergt. Auf der deutschen Website findet sich eine sehr gute Transkreation, die an das deutsche Publikum angepasst ist: „Entdecke dein Wohlbefinden“.
Hier hat sich jemand Gedanken daüber gemacht, was ein deutsches Publikum erwarten würde und entsprechend getextet. So entsteht eine natürlich wirkende Überschrift, die sich gut in deutsche Vorstellungen von Webseitentexten einfügt.
Und Sie?
Transkreation holt das Beste aus Ihren Texten heraus und sorgt dafür, dass sie optimal für Ihre Zielgruppe passen. Haben Sie schon über eine Transkreation Ihrer Marketingtexte nachgedacht? Sprechen wir darüber, wie ich Sie dabei unterstützen kann.