Sollte man die USA und das UK in einen Topf werfen?
Else Gellinek
- März 22, 2019
- 4 min read
- Interkulturell gedacht
„Für wen ist dieser Text gedacht?“
Oft begegnet mir ein Schulterzucken, wenn ich frage, ob ein Text für amerikanische oder britische Leser gedacht ist (oder gar für andere englischsprachige Länder). Englisch ist doch Englisch, oder?
Während viele Länder englische Muttersprachler beherbergen und sicherlich alle im Großen und Ganzen auch andere Varianten des Englischen verstehen können, wird mit dieser Sichtweise etwas Wesentliches außer Acht gelassen: die Kultur. Ein Text, speziell für Amerikaner konzipiert, muss eventuell angepasst werden, um einem britischen Publikum zu gefallen, auch wenn es sprachlich zu wenigen Problemen kommen wird.
Beispiel: der Markt für Sachbücher
Fall 1: Mark Hyman
Ich hörte neulich in einem Podcast dem bekannten amerikanischen alternativen Mediziner Dr. Marc Hyman zu. Er hat in jüngerer Zeit ein neues Buch veröffentlicht, das den Namen trägt „Food: What the Heck Should I Eat?“. („heck“ ist eine abgeschwächte Form von „hell“. Amerikaner sind generell große Künstler darin zu fluchen, ohne blasphemisch zu werden.) Diese Frage bildet sprachlich sehr schön verwirrte Durchschnittsamerikaner ab, die ratlos die Stirn runzeln, weil sie völlig überfordert sind. Von dem Buchumschlag lächelt Dr. Hyman die Leser selbstsicher und vertrauenserweckend an.
Im Laufe des Podcasts kam die Rede darauf, dass das Buch auch im Vereinigten Königreich erschien. Dr. Hyman lachte und erzählte, dass er sich über den veränderten Titel gewundert hatte. Anscheinend sei der Originaltitel nicht für den britischen Markt geeignet. Was war nun anders? Der britische Verlag, der natürlich den Finger am Puls des britischen Buchmarktes hat, hatte das Buch wie folgt umbenannt: „Food: WTF Should I Eat?“.
Tatsächlich hat diese Ausgabe äußerlich wenig mit der amerikanischen gemein. Dr. Hymans Konterfei musste einem Ei weichen und der Ton des Titels hat sich merklich verändert. „WTF“ ist ein Internetakronym für „what the fuck“. Es ist fast undenkbar, dass eine solche Sprachverwendung auf einem Buch für eine allgemeine amerikanische Leserschaft auftaucht, vor allem nicht von einem bekannten Publikumsverlag. Der britische Verleger Hodder & Stoughton ist ein großes Verlagshaus und ganz gewiss kein kleiner, selbständiger Verleger. Wie man sieht, wird ein etwas salopper, wenn nicht flapsiger Ton auf dem britischen Markt eher akzeptiert oder ist vielleicht sogar wünschenswert.
Fall 2: Lynne Murphy
Die amerikanische Linguistin Lynne Murphy ist für ihren Blog „Separated by a Common Language“ bekannt, der die feinen Unterschiede zwischen dem britischen und dem amerikanischen Englisch beleuchtet. Zu diesem Thema hat sie ein Buch geschrieben. Der Titel des Buches ist in den USA und der UK fast gleich: „The Prodigal Tongue: The Love-Hate Relationship Between British & American English“ für das Vereinigte Königreich und
„The Prodigal Tongue: The Love-Hate Relationship Between American & British English“ für die USA.
Auffällig ist jedoch, dass sich die Ausgaben für die jeweiligen Leserschaften optisch unterscheiden. Die Gestaltung ist an den jeweiligen Markt angepasst und nimmt die Sicht der Leserschaft ein – genau wie die Reihenfolge der Nennungen im Untertitel. Das amerikanische Cover versinnbildlicht amerikanisches Englisch als Cowboy, der gegen das britische Englisch in Form eines englischen Gentlemans mit Melone zum Faustkampf anhebt. Hier steht der Konflikt im Mittelpunkt. Auf dem englischen Umschlag prangt hingegen ein Zylinder und Schnauzbart und eine rausgestreckte Zunge, die an das weltbekannte Logo der Rolling Stones erinnert und auf jeden Fall eine gewisse Respektlosigkeit ausstrahlt, die viele britische Muttersprachler auch gegenüber dem amerikanischen Englisch empfinden.
Was lernen wir daraus?
Die großen Verlage kennen ihre Märkte – das darf man voraussetzen. Sie entscheiden also in manchen Fällen, Bücher für ihren Markt umzugestalten, weil sie davon ausgehen, dass sie ein ansprechenderes Design erstellen können, das bessere Verkaufszahlen erreicht als es das Originaldesign würde.
Auch wenn Sie Ihre Texte nicht direkt verkaufen, sondern indirekt mit ihnen Umsätze erzielen wollen, befindet sich hier ein lohnenswerter Gedanke: im Mittelpunkt steht immer Ihre Zielgruppe. Lernen wir von Unternehmen, die Texte als Produkt verkaufen, wie wir Texte als Instrument für andere Ziele optimieren können.
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