Verlieren Sie nie Ihre Zielgruppe aus den Augen
Else Gellinek
- Dezember 4, 2015
- 3 min read
- Mit Übersetzer*innen arbeiten
Neulich ging wieder ein Fall durch die Presse, der eindrucksvoll vorführt, dass Unternehmen IMMER ihre Zielgruppe im Blick haben müssen, da ihnen sonst unangenehme Schnitzer unterlaufen.
Eine Welle der Entrüstung schlägt auf das Playmobil Piratenschiff ein
Was geschah
Eine Kundin aus Kalifornien hinterließ auf der Facebook-Seite von Playmobil USA einen empörten Kommentar zur Gestaltung der Figuren des Playmobil Piratenschiffs. Eine schwarze Figur sei ohne Schuhe und in zerfetzten Hosen und mit einer Halsfessel ausgestattet. Für die amerikanische Kundin war es eindeutig, dass Playmobil einen versklavten Menschen als Spielzeugfigur abgebildet hat. Playmobil USA zeigte sich überrascht und wies die Rassismusvorwürfe der Frau zurück. Die Figur sei lediglich die historisch korrekte Abbildung eines befreiten Sklaven, der als vollwertiges Mitglied der Piratenmannschaft zur See fahre.
Was steckt dahinter
Playmobils Piratenschiff-Problem zeigt die vielen Herausforderungen einer internationalen Vermarktung von Produkten. Gespeist aus ihrer Vergangenheit haben die USA ein besonderes Verhältnis zur Sklaverei und den daraus resultierenden sozialen Strukturen. Andere Länder mit einer mitnichten sklavenhandelsfreien Vergangenheit haben nicht diese schmerzhafte Beziehung zu ihrer Vergangenheit. Hier haben wir einen Themenkomplex, der die USA bis heute in verschiedene Lager spaltet. Ob ein Spielzeughersteller tief in dieses Wespennest stechen möchte, bezweifele ich. Das hat Playmobil nun getan, wenn auch sicherlich unabsichtlich.
Was sagt die Welt dazu
Ein Vergleich der deutschen und amerikanischen Presse zeigt, wie grundverschieden dieser Fall wahrgenommen wird. Der Grundtenor deutscher Artikel* ist, dass die empörte Kundin überreagiert. Britische und amerikanische Journalisten nehmen tendenziell die Beschwerde weniger auf die leichte Schulter. Auch hier zeigt sich die unterschiedliche Wahrnehmung, die auf ungleichen kulturellen Bezügen zum Sklavenhandel beruht.
Wer die Reaktionen auf den Facebook-Kommentar der verärgerten Kundin liest oder zu den Rezensionen auf Amazon.com surft, wird sehen, dass auch in den USA keine einheitliche Wahrnehmung des Spielzeuges existiert. Zwei Gruppen liefern sich Wortgefechte: Die einen sagen, dass Abbildungen von versklavten Menschen – ob befreit oder nicht befreit – niemals in Spielzeug verarbeitet werden sollen. Die anderen entgegnen, dass historische Korrektheit ein wichtiger Aspekt von Playmobil sei und die Kundin lediglich nach Gründen suche, sich über Rassismus zu beschweren.
Ich kann nicht beurteilen, wer im Recht ist, und meine Meinung dazu ist nicht ausschlaggebend. Playmobil ist jedenfalls im Gespräch. Es ist fraglich, ob ein Spielzeughersteller in eine Rassismusdebatte verwickelt sein möchte. Ich sehe hier einen typischen Fall eines Unternehmens, das wegen mangelnder Sensibilität für seine Zielgruppe – auch für die Heterogenität der Zielgruppe – durch eine schlechte Presse in aller Munde ist.
*Deutsche Sicht:
Amerikanische Sicht:
- Atlanta Black Star
- Global Toy News
- Esquire
Englische Sicht: